#1

(ver)Leben

in Philosophisches und Grübeleien 06.10.2005 13:29
von Don Carvalho • Mitglied | 1.880 Beiträge | 1880 Punkte
(ver)Leben

Die Tage quälen sich (das grüne Gras) dahin
Erleben wird (ich riech es noch) stets neu gewebt
Möcht mich vor Euch und mir (im Abendrot) verstecken

(Es blieb nicht viel) dies alles ist was ich noch bin
Nun fragend habe ich (wo weilt der Rest) gelebt
Zuletzt werd einsam ich (oh Glück von einst) verrecken


(c) Don Carvalho
- November 2005

Audioversion


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1. Version:
Die Tage quälen sich (das grüne Gras) dahin
Erleben wird (ich riech es noch) stets neu gewebt
Möcht mich vor Euch und mir (im Abendrot) verstecken

Dies alles ist (es blieb nicht viel) was ich noch bin
Mich fragend habe ich (wo weilt der Rest) gelebt
Zuletzt werd einsam ich (oh Glück von einst) verrecken

2. Version:
Die Tage quälen sich (das grüne Gras) dahin
Erleben wird (ich riech es noch) stets neu gewebt
Möcht mich vor Euch und mir (im Abendrot) verstecken

Es kümmert mich (es blieb nicht viel) was ich noch bin
Nun fragend habe ich (wo weilt der Rest) gelebt
Zuletzt werd einsam ich (oh Glück von einst) verrecken

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#2

(ver)Leben

in Philosophisches und Grübeleien 07.10.2005 13:49
von Mattes | 1.141 Beiträge | 1141 Punkte
Hallo Don Carvalho!

Die Tage quälen sich und mit ihnen ich angesichts deines elaborierten Werkes.

Zunächst möchte ich dir gratulieren, es spricht sprachlich (haha) und formal sehr an. Die Metrik

xXxXxX (xXxX) xX
xXxX (xXxX) xXxX
xXxXxX (xXxX) xXx

xXxX (xXxX) xXxX
xXxXxX (xXxX) xX
xXxXxX (xXxX) xXx

ist sauber und zwar auch die der ausgeklammerten Teile. Das stets neu gewobene Erleben wird mit den Einschüben quasi augenfällig, wobei ich noch mehr genossen hätte, wenn der Einschub in der letzten Zeile auch versetzt erfolgt wäre: Zuletzt werd ich (oh Glück von einst) einsam verrecken.

Das alte lyrische Ich hat sein Leben ver-lebt, die Tage quälen sich nur noch dahin. Am Ende erinnert es sich an das grüne Gras seiner Jugend und erkennt, dass es nur noch aus Erinnerung besteht. Es wird also hohe Zeit, zu sterben.

Das klingt soweit alles ganz logisch aber bei mir hakt es eben doch noch: Das lyr. Ich möchte sich verstecken, es wünscht, zu gehen, assoziiert damit aber doch (wehmütig) ein einsames Verrecken. Es erinnert sich offenbar nicht ungern an das Glück von einst (auch wenn die Erinnerung im ALter zur Last werden kann), hat sich aber auch das ganze Leben über gefragt, wo selbiges eigentlich ist (wo weilt der Rest).

Na, ich werde wohl noch etwas rätseln müssen. Durch die Formalien, ohne dass diese aber aufgesetzt wirken, hast du erreicht, dass man das Gedicht nicht einfach wegliest, seufzt und vergisst. Jedenfalls bei mir.

Digitally Yours

Mattes

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#3

(ver)Leben

in Philosophisches und Grübeleien 07.10.2005 14:08
von Arno Boldt | 2.760 Beiträge | 2760 Punkte
D'accord, matte, d'accord.

Ich persönlich finde es klasse, dass man den Text auch verkürzt durch die Klammern entdecken kann. Es ist wie eine zweite Haut, oder besser: das wichtige am eigentlichen Text - zusammengefasst:

Das grüne Gras - ich rieche es noch im Abendrot. Es blieb nicht viel. Wo weilt der Rest? Oh glück von einst!

Grüße.
arno.

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#4

(ver)Leben

in Philosophisches und Grübeleien 07.10.2005 14:46
von GerateWohl • Mitglied | 2.015 Beiträge | 2015 Punkte
Hallo Don,

ich bin auch bestochen von der Form und der technischen Raffinesse, bin aber auch wie Mattes etwas verwirrt, ob der Erfahrungen des lyr. Ich. Es trauert den grünen Tagen der Jugend nach, die ich in den Zeilen nicht so recht finden kann.
Das Ich hat stets fragend gelebt. Klingt nicht unbedingt nach so viel Spaß und stellt auch keinen Unterschied zum resignierten Jetzt dar.
Dann quälen sich einerseits die Tage dahin (seit wann? Schon immer?), dann wird Erleben aber täglich neu gewebt. Das Ich erlebt also noch etwas. Ich sehe da nirgendwo so recht die Abgrenzung zu den alten schönen Tagen.
Teilweise scheint es so, als kranke das Ich daran, dass es die guten Tage vergessen hätte, andererseits bedauert es gerade, dass diese vorbei sind.
Andererseits könnte gerade Deine Verschachtelung ein Hinweis auf ein unbewußtes Wissen, aber bewußtes Nicht-Wissen sein. Dann finde ich es nochmal doppelt raffiniert.

Und Das grüne Gras - ich rieche es noch im Abendrot. Es blieb nicht viel. Wo weilt der Rest? Oh glück von einst! ist ein wunderschöner Satz.

Grüße
GerateWohl

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#5

(ver)Leben

in Philosophisches und Grübeleien 07.10.2005 20:53
von Margot • Mitglied | 3.054 Beiträge | 3055 Punkte
Hi Don

Ich weiss nicht recht, ob mir der Text gefällt - *g - will ihn aber nicht unkommentiert lassen. Er ist sicher originell, die nüchternen, kalten Worte und die poetischen (in Klammern) miteinander zu verweben bzw. gegenüberzustellen, aber mir persönlich sagt das nicht zu. Entweder will ich das Eine oder das Andere lesen und wenn doch verwoben, möchte ich mir das selber "erarbeiten", dass da zwei Seelen sprechen. In dieser Form ist mir das zu gewollt, zu offensichtlich. Schwierig zu erklären, hab's jedoch versucht.

Beste Grüsse
Margot


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#6

(ver)Leben

in Philosophisches und Grübeleien 08.10.2005 14:40
von Richard III | 868 Beiträge | 871 Punkte
Hi Don,

natürlich verführen die gesetzten Klammern dazu, die Teile getrennt voneinander zu verstehen und natürlich ist dies die Eine, von dir herausgeforderte Lesart. Aber - und das finde ich viel überzeugender - die Beiden Teile sind eben doch zu einem Ganzen zusammengefügt, wie zwei Seiten eines Menschen: Die Wehmut des Klammerinhalts und die Abgegessenheit der restlichen Zeilen sind zwei Teile, die erst zusammengefügt das Gedicht ergeben und dort ist es ein lyrisches Ich, daß sich trotz seiner Negativität immer noch an das Schöne erinnert, es also immer noch Teil seines Lebens ist - wenn es das nicht wäre, hätte er es vergessen.
Alerdings fällt mir auch auf, daß das lyrische Ich auch gar nicht so sehr negativ ist, wenn er schreibt: "Erleben wird stets neu gewebt". Erkennt er hier nicht doch an, daß das Leben Veränderungen unterworfen ist und niemals etwas bleibt und das dies gerade das Leben ist?
Hm, meine Gedanken zu deinen Zeilen sind etwas konfus, da ich es ablehnen möchte im Alten verhaftet zu bleiben und zu stagnieren und es dennoch nachvollziehen kann, da es nichts Menschlicheres gibt, als mit Wehmut Altem nachzutrauern und darüber das Leben im Jetzt zu vergessen.
Gefällt mir jedenfalls dein Experiment - so oder so!

Gruß Ric

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#7

(ver)Leben

in Philosophisches und Grübeleien 11.10.2005 11:31
von Don Carvalho • Mitglied | 1.880 Beiträge | 1880 Punkte
Zunächst einmal Euch allen vielen Dank für die Resonanz. Das Innenleben des lyrischen Ichs ist zweifellos etwas konfus und mit einer gehörigen Portion Melancholie durchwebt, sodass die Empfindungen sicherlich zum Teil etwas widersprüchlich wirken.

Ich für meinen Teil kann es für mich gedanklich runden und schlüssig gestalten. Über die Intention kann ich dabei ehrlicherweise gar nicht so viel sagen... ich habe dieseZeilen bei all meinen Notizen und Fragmenten gefunden und dachte erst, es wäre gar nicht von mir^^ (keine Sorge, es ist). Ich habe es zuletzt dann noch ein wenig bearbeitet und mir (neue) Gedanken dazugemacht, bin mir aber nicht sicher, ob diese mit denen kongruent sind, die ich beim Schreiben hatte.... seltsam irgendwie.

@Mattes: diese Einschübe habe ich ein wenig hin und her geschoben, so passten sie dann aber doch am besten. Bei Deinem Beispiel müsste man ja einsam endbetonen, was auch nicht gut ist.

@Geratewohl: "Und Das grüne Gras - ich rieche es noch im Abendrot. Es blieb nicht viel. Wo weilt der Rest? Oh glück von einst! ist ein wunderschöner Satz." Ein Satz? Mensch, Jung, doch kein Alkohol vor 16 Uhr, die Regel kennste doch!

Nochmal Dank an Euch alle,


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#8

(ver)Leben

in Philosophisches und Grübeleien 24.10.2005 02:21
von Don Carvalho • Mitglied | 1.880 Beiträge | 1880 Punkte
Nun werde ich meinen Thread mal ein bisschen nach oben spammen !

Ich habe doch geschrieben, dass ich dieses Gedichtfragment gefunden habe, ohne mich genau daran zu erinnern, und es dann vollendete. Heute ist mir wieder eingefallen, was ich eigentlich mit diesen Zeilen vorhatte und war daher zu einigen kleineren (oder größeren) Änderungen gezwungen. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob mir alles gefällt, auch nicht, ob der Inhalt noch an allen Stellen mit den dahinterstehenden Gedanken harmoniert (auch wenn ich meine, dass sich nun die eine oder andere Frage klären könnte). Aber trotz der Unsicherheiten sollte es jetzt erst mal raus... es ist ja schließlich eh schon draußen...

Ach ja: alternativ hatte ich für Str. 2 Z. 2 auch
"(Es blieb nicht viel) dies alles ist was ich noch bin"
im Auge... besser? Schlechter?

Oh Mann, ich werde echt vergesslich. Passt aber zum Gedicht^^,


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#9

(ver)Leben

in Philosophisches und Grübeleien 27.10.2005 11:34
von Mattes | 1.141 Beiträge | 1141 Punkte
Mann, du bekommst den Hals aber auch nicht voll, wie? 5 qualifizierte Rückmeldungen unterschiedlicher User und Don will mehr!

Mehr ist aber nicht. Was hast du denn jetzt gemacht? Gut, du meinst sicher, dass es das lyrische Ich be-kümmert, was es noch ist aber wo ist der gravierende Unterschied zur resignativen ersten Variante? Kann ich nicht entdecken und gefallen tut mir die erste dann mehr.

Nun fragend habe ich gelebt? Nein, Don, sicher nicht. Version 1 war in dieser Zeile sicher keine sprachliche Offenbarung aber das hier ist Murks. Tut mir leid. Schreib einfach ein neues Gedicht.

Nichts für ungut.
Mattes

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#10

(ver)Leben

in Philosophisches und Grübeleien 27.10.2005 19:00
von Don Carvalho • Mitglied | 1.880 Beiträge | 1880 Punkte
Wie unersättlich ich bin, wirst Du ja warhscheinlich unter realen Bedingungen mitbekommen, Mattes!

Zunächst einmal vielen Dank, dass Du noch mal rein geschaut hast. Mir gefällt die erste Version ja auch besser, das ist ja mein Problem. Denn das, was mir erst kürzlich wieder einfiel und weshalb ich dieses Gedichtfragment wohl zunächst nicht vollendete, war ein bestimmtes Konzept (Holzhammer? ).

Und nun weiß ich eben nicht, ob ich noch versuchen sollte, es durchzuziehen (zB durch obige 2. Version) oder Gedicht lieber Gedicht sein lasse...

Naja, dann muss ich nochmal brüten!


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#11

(ver)Leben

in Philosophisches und Grübeleien 16.11.2005 09:44
von KediosRache (gelöscht)
avatar
hm, jenny, falscher text, meinste nicht?

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#12

(ver)Leben

in Philosophisches und Grübeleien 16.11.2005 10:13
von Don Carvalho • Mitglied | 1.880 Beiträge | 1880 Punkte
Scheint mir auch so, als hättest Du eigentlich etwas zu M.B.B.'s Korrektur schreiben wollen...

Oder möchtest Du mir damit etwas sagen?

Don


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#13

(ver)Leben

in Philosophisches und Grübeleien 16.11.2005 10:18
von Gemini • Long Dong Silver | 3.094 Beiträge | 3130 Punkte
Ach komm Padre, nimms einfach an.
Liebe Kraft und Licht, kann schliesslich jeder brauchen

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#14

(ver)Leben

in Philosophisches und Grübeleien 16.11.2005 10:21
von Don Carvalho • Mitglied | 1.880 Beiträge | 1880 Punkte
Stimmt, angenommen !

Don

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#15

(ver)Leben

in Philosophisches und Grübeleien 10.05.2006 11:38
von Gemini • Long Dong Silver | 3.094 Beiträge | 3130 Punkte
Hallo Don

Ich muss gestehen, dass ich es ohne Hinweis nicht gefunden hätte. Ich wußte zwar, dass du eine neue Audioversion aufgenommen hast, aber zu welchem Gedicht nicht.

Zum Text:

Die Idee ist gut und auch sehr gut umgesetzt. Mich wundert, wie du deine Stimme in den Passagen so verstellen konntest. Zuerst dachte ich." Huch! Was ist da los!" Aber dann verstand ich, wie du es geplant hattest.
Man muss es sicher ein paar Mal hören um es ganz zu verstehen, da man sich ja nur immer auf eine Stimme konzentrieren kann. Ich habe es mir ein paar mal angehört und es gefiel mir nachher immer besser.
Die Glocken im Hintergrund? Zufall? Nein, wohl kaum.
Gut gemacht und gefällt mir vorgetragen besser als geschrieben.
Der Teufelsavatar macht die Sache dann komplett Rund.

LG Gem

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#16

(ver)Leben

in Philosophisches und Grübeleien 10.05.2006 11:50
von Don Carvalho • Mitglied | 1.880 Beiträge | 1880 Punkte
Hi Gem,

schön, dass es doch noch jemand gefunden hat ...

Ich habe das Gedicht in zwei Teilen aufgenommen und meine Stimme jeweils etwas nachbearbeitet, da ich die Klammern auch hörbar machen wollte. An einigen Stellen überschneidet es sich ein wenig stark, weshalb man das Gedicht sicher mehrmals hören muss. Ich hatte auch überlegt, diese Stellen nochmals zu überarbeiten, irgendwann war es aber auch genug .

Das Glockenläuten hat bei einem Lesen zwar zufällig eingesetzt, ich habe es dann aber absichtlich untergelegt, da ich die Stimmung so interessanter fand.

Freut mich, dass die Audioversion magst. Gerade bei dem Text hat mich die hörbare Umsetzung mehr gereizt als bei anderen, klassischen Texten von mir.

Hab Dank für Deinen Kommentar,

Don

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#17

(ver)Leben

in Philosophisches und Grübeleien 10.05.2006 12:11
von Gemini • Long Dong Silver | 3.094 Beiträge | 3130 Punkte
Ja, wenn es sich nicht so stark überschneiden würde, wäre es besser. Aber es ist sicher sehr schwierig es richtig hinzubekommen.

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#18

(ver)Leben

in Philosophisches und Grübeleien 10.05.2006 12:15
von Ulli Nois | 554 Beiträge | 554 Punkte
Hi Don,

Ich bin mir nicht sicher, ob ich dich am 13. noch treffen will...

Du hast wie ein Besessener daran gearbeitet?

Aber was heiißt wie? Es klingt wirklich wie von Geisterstimmen gesprochen. Den Gothic Price hast du dir auf jeden Fall verdient!

Sincereulli


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#19

(ver)Leben

in Philosophisches und Grübeleien 10.05.2006 19:37
von Don Carvalho • Mitglied | 1.880 Beiträge | 1880 Punkte
Ist das mit dem "Gothic Price" jetzt ein Kompliment ?

Wie ein Besessener habe ich allerdings nicht daran gearbeitet, vieles hat auch durch Glück gut zusammengepasst . Deshalb will ich mich gar nicht mehr unbedingt an eine Überarbeitung machen, denn ich habe die Befürchtung, dass wenn ich nochmals anfange, die einzelnen Tonspuren herumzuschieben, es vorne und hinten nicht mehr passt und alles im Chaos verendet...


Ach ja:

!tlhäzeg egaT enieD dnis tsnos nned - tröhegnu nebielb ethcülfsuA enieD ,illU ,gatsmaS ma tsmmok uD

Besessene Grüße,

Don

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#20

(ver)Leben

in Philosophisches und Grübeleien 11.05.2006 08:59
von Ulli Nois | 554 Beiträge | 554 Punkte
aua

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