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Agierfelder

in Kommentare, Essays, Glossen und Anekdoten 30.09.2011 20:15
von mcberry • Administrator | 3.230 Beiträge | 3490 Punkte

Gefilde, in denen wir verweilen, bieten Rastplätze, Unterstände, Verstecke, einige davon mit Falltüren.
Sind Wilderer unterwegs?

Wer wollte bezweifeln, daß sich auch Büros u. a. scheinbar friedliche Domänen als Jagdreviere eignen. Nur tragen Kollegen nicht unbedingt lodengrün. Das nichts ahnende Zielobjekt erkennt oft viel zu spät so ein rotes Lichtpünktchen auf dem Hosenlatz.

Nur Mut! Gegenwehr ist möglich, denn die Sache hat System. Der Aufbau von Agierfeldern vollzieht sich nach einem erkennbaren Plan:

-> Erste Stufe: das Öffnen der Türe.

Ein Agierfix fühlt sich mißverstanden. Unter dem Vorwand, Orientierungsarbeit leisten zu wollen, quetscht sich’s hinein in weiß nicht was, jedenfalls alles Wichtige besser. Ohne auf Umwegen Zeit zu verlieren benachrichtigt Agierfix wegen vorgefundener Mißstände gewissenhaft die höchste Instanz. Nur hier fühlt sich’s - einigermaßen - aufgehoben.
Hysteriker können sehr überzeugend sein.
Chefs reagieren schnell genervt. Zunächst begeistert, hat der Meister schon bald ein Problem. Doch werden in einem als Bewältigungsstrategie ungeeigneten Versuch, sich durch Nachgeben Ruhe zu verschaffen, nicht selten die Tore geöffnet.

Daß auch sinnvolle Maßnahmen so eingeleitet werden können, sei ausdrücklich anerkannt. Aber oft genug ist die Zielsetzung nicht am Himmel aufgehängt.

-> Zweite Stufe: Einwerben der Gefolgschaft.

Diese Stufe zu überspringen wäre ein Fehler. Wer nicht sicher im Sattel sitzt, sollte nicht davon galoppieren.

Grundsätzlich ist nichts gegen Überzeugungsarbeit zu sagen. Warum nicht eintreten für Inhalte, an die wir glauben? Doch scheidet sich die Spreu bereits vom Weizen. Liegt der Schwerpunkt in Versprechungen, wird dem Affen Zucker verabreicht, dann können wir nur inständig hoffen, daß ein Zweck versuchen wird, die Mittel zu heiligen.

-> Dritte Stufe: Aufräumarbeiten.

Besonders Entscheidungsträger erscheinen im Fadenkreuz des Zielfernrohres. Jeder Fehler ein gefundenes Fressen. In allgemein aufgeheizter Atmosphäre läßt sich auch trefflich ein Gerücht in die Welt setzen. Unter Verwendung böser Schlagworte, gut geeignet sind in Deutschland Begriffe aus dem Nationalsozialismus, bringe man den Gegenspieler ins Gerede, bis er sich für Auswüchse verantworten muß, die auf einem fremden Acker gediehen sind.

Die Gelegenheit, eigene Erfahrung und Begabung für entsprechende Störfälle anzumelden, darf niemals ausgelassen werden. Wer unter Druck gerät, wird doch hoffentlich irgendwann nervös. Macht der überflüssige Zeitgenosse auch nur den Mund auf, gibt Agierfix sofort seinen Senf dazu; möglichst in einer Weise, die klarstellt, es hätte ohne diesen Zusatz hier mal wieder nichts funktioniert.

Aber wäre es wirklich schade, eine Fehlbesetzung auszuwechseln?
Manchmal sind Schattierungen von Grautönen nahe beieinander. Einfache Leitlinien helfen bei der Unterscheidung: Gelten stets dieselben Maßstäbe? Werden neben den Schwächen der unliebsamen Zeitgenossen auch Fähigkeiten erkannt? Das spräche für Objektivität. Sind eigene Beschränkungen ein Tabu? Das ließe kaum auf Charakter schließen.

-> Vierte Stufe: Machtübernahme.

Überrollte Widersacher werden nicht zwangsläufig in die Wüste geschickt. Das Ziel besteht manchmal darin, sie zu instrumentalisieren. Solange alles funktioniert, bleibt Agierfix erträglich.
Die Gefahr besteht in der Wandlung eines Usurpatoren zum Tyrannen. Andererseits war die Geschichte voll davon, und wir haben es überlebt, mehr oder weniger.

Warum also darüber schreiben?
Umwälzungen dieser Art leiten oft Paradigmenwechsel ein. Wenn wir beobachten, anstatt wegzuhören, erfahren wir mehr über das, was uns bevorsteht.

Ach ja: Was machen denn die Gelegenheitstäter, Mitläufer und potentiellen Opfer solange?

Geraten wir in ein Agierfeld hinein, sind Schnittmengen mit einer Mobbing Dynamik deutlich. Eine Treibjagd, die oft einem wenig wehrhaften Ersatzopfer gilt, und fast regelmäßig ungesund. In einem zermürbend gehässigen Klima verbraucht sich die Energie, die der Arbeit zufließen sollte. Schutzbündnisse schließen zu wollen, erscheint nur bedingt ratsam; unter Umständen spielen vertrauliche Informationen einem noch unbekannten Gegner in die Hände.

Die erste Empfehlung lautet: Feindbeobachtung.
Man sollte sich kennen. Krach vermeiden heißt nicht aus dem Weg zu gehen. Sichere Deckung ist kein Synonym für Abwesenheit. Natürlich gibt es Konfliktsituationen, da ist der beste Ausweg die Tür. Aber hier geht es darum, standhalten zu können, wo es kein Entrinnen gibt.

Angreifer geben mehr über sich preis, als ihnen bewußt ist. Die Wahl der Waffen bzw. der erhobenen Vorwürfe ist meistens nicht zufällig, sondern liefert detaillierte Beschreibungen einer verzweifelt abgewehrten Selbsterkenntnis.
Klingt das seltsamt? Wir legen heimliche Ängste in unsere Worte und projizieren sie in unsere Feinde. Was wir anderen unterstellen, erzählt leider eine Menge über unser Innenleben. Aber lassen wir das mal beiseite als ein Geheimwissen, für das nicht jeder aufgeschlossen ist.

Zweite Empfehlung: Geduld üben.
Schnell genug wird klar werden, worum es wirklich geht. Im Vorfeld auf Konfrontationskurs zu gehen, kostet unnötige Energie. Wenn es soweit ist, sollten wir vorbereitet sein. Mobbing Opfer sind gut beraten, schon mal ein Dossier anzulegen über Vorfälle, damit später ggf. Roß und Reiter benannt werden können.

Dritte Empfehlung: Nicht beeindrucken lassen.
Manche Menschen konnten nicht gemobbt werden. Sie waren nicht kaputt zu kriegen, lachten anstatt in die Defensive zu gehen. Verunsicherten Angreifer. Schlagfertig im verbalen Sinne, trieben sie ihre Vorgesetzten zur Verzweiflung.

Um auf diesem Level spielen zu können, braucht man Selbstüberwindung. Schaffen wir die (noch) nicht, weichen wir besser dem Training nicht aus. - Durchhalten, solange es geht. Aber: Kein Job auf der Welt ist die Gesundheit wert.

Langfristig weiß man nie, wozu etwas gut war. Lassen sich Kontakte, die wir langfristig gepflegt haben, beliebig gegen uns wenden, dann verlieren wir nicht wirklich viel. Die Welt ist groß......weit......

Das soll alles sein? Dafür hat man sich jetzt diesen ellenlangen Text reingezogen?
Sich nix draus machen und gewinnen. Oder doch abhauen, wenn gegen eine verblendete Mehrheit von Triebtätern nicht anzukommen ist. Na toll!

-> Der ideale Outcome eines Konfliktes besteht im Bündnis mit dem Gegner.
Unter ernsthafter Anerkennung seiner menschlichen und fachlichen Qualitäten. Mit persönlichem Eintreten für seine Daseinsberechtigung im Gefüge der Teamstruktur. Wie lange brauchen wir, um es auf diesen Level zu schaffen?

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#2

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in Kommentare, Essays, Glossen und Anekdoten 30.09.2011 23:40
von Joame Plebis | 3.690 Beiträge | 3826 Punkte

Guten Abend, Mcberry!

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zuletzt bearbeitet 20.12.2021 00:27 | nach oben


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