#1

Lebenslauf

in Gesellschaft 20.12.2014 05:40
von Elektra | 250 Beiträge | 250 Punkte

Fraglos: Ich bin geboren.
Wäre da eine Wahl gewesen - ich hätte
mir diese Zeit nicht ausgesucht.
Mein Leben auf einem Blatt Papier.

Wer wissen will, wie es war:
Bedeutungsvolles sieht man den Daten
nicht an und nicht, was ich von ihnen halte.
Nur vor Gericht wird mehr verschwiegen.
Gestrichenes gilt nicht. Aber wie
soll ich den Riss zwischen mir und dem
Draußen, Welt genannt, datieren?

Mein geläufiges Leben.
Eines Tages interessiert sich nur noch
ein Steinmetz, vielleicht, für das, was ich
meinen ungeschminkten Lebenslauf nenne:
Geboren – gestorben.


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#2

RE: Lebenslauf

in Gesellschaft 01.01.2015 22:49
von munk (gelöscht)
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hallo elektra,
ein lebenslauf, ein lyrichlebenslauf. das passt also auf einem blatt papier. dieses leben scheint noch gar nicht so fern vom geborensein zu sein oder vielmehr, scheint aus sicht des lyrichs all das, was nach der geburt erwähnenswert ist, auf nur einem blatt zu passen. die konkretisierung in der zweiten strophe verdeutlicht, hier stimmt etwas nicht. hier wurde zusammengestrichen. hier hat sich etwas generiert, das das außen und innen nicht mehr in einklang bringen kann. der riss ist prozessual, das eigentlich persönlich bedeutsamere und wesentlichere verliert sogar seinen zeitbezug! je mehr die fremd- und selbstwahrnehmung das lyrich auseinanderreißt, um so mehr! hier quält die frage wenigstens etwas vom riss zu datieren, um das zu identifizieren, was die eigentliche identität, das wesen des lyrichs immer mehr ausmacht und doch auf dem blatt papier scheinbar keine existenzberechtigung hat, weil es nicht zur geschönten selbstdarstellung für die außenwelt geeignet ist. so kann es zu einer selbstsuggestion kommen, die am ende alles lebendige und individuelle, all das rebellierende und unangepasste ausradiert. die selbstabwertung nivelliert zum schluss das leben des lyrichs und bringt es, vielleicht mit hilfe eines steinmetzes, ins absurde lapidare. hier siegt thanatos, wenn man so will, über einen eros, der sich, aus welchen gründen auch immer, nie nach außen wirklich ausprägen konnte ..

es grüßt
der munkel

zuletzt bearbeitet 03.01.2015 19:33 | nach oben

#3

RE: Lebenslauf

in Gesellschaft 02.01.2015 09:45
von mcberry • Administrator | 3.230 Beiträge | 3490 Punkte

Hallo Elektra,

ein interessantes Thema für einen Kurztext: Meine biographischen Daten sagen mir nichts mehr.
Auch als Prosa überzeugend. Besonders gut gefällt mir der "Riß zwischen mir und dem Draußen".
Ob innen oder außen mehr Welt zu finden sei, bleibt unentschieden. Sehr gerne gelesen. Frohes neues Jahr - mcberry

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#4

RE: Lebenslauf

in Gesellschaft 16.01.2015 16:41
von perry • Mitglied | 1.417 Beiträge | 1417 Punkte

Hallo Elektra,
die Geburt liegt nicht in unserer Hand, auch der Lebensweg ist meist im Großen und Ganzen vorgegeben, nur
in unseren Gedanken sind wir frei, wenn wir es schaffen uns vom Äußeren - zumindest hin und wieder- zu lösen.
Es spricht eine gewisse Resignation aus den Zeilen, aber solange man sich Fragen stellt, ist auch noch Hoffnung.
LG
Perry

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#5

RE: Lebenslauf

in Gesellschaft 17.01.2015 17:42
von Elektra | 250 Beiträge | 250 Punkte

Hab besten Dank, Perry, für deine nachdenklichen Zeilen.

Ciao, Elektra


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