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  • IdiotenDatum08.05.2009 12:35
    Foren-Beitrag von GerateWohl im Thema Idioten

    Hallo Karl,

    Zitat von oliver64
    Nur ein Idiot vermag Idiotisches zu erkennen.


    Mit der Version von Oliver kann ich was anfangen.
    Bei Deiner ist mir je nach Sichtweise die Gefahr des Apfel/Birnen-Vergleichs zu groß.

    Viele Grüße,
    GerateWohl

  • Hallo Margot,

    trotz Deiner steten Höflichkeit dabei kann ich erahnen, wie sehr Du es magst, wenn man in Deinen Gedichten rummalt.
    Trotzdem kann ich mich hier schwer beherrschen.
    In Strophe 2 würde ich stark für "Ich trage heute selbst..." plädieren. Das "halte" klingt für mich nach krampfhafter Wortwiederholungsvermeidung, die mich aber eher etwas irritierte als bereicherte.

    Dann rumpelt es bei mir immer zu Beginn des 2. Verses der dritten Strophe, weil ich "sagst mir" immer auf dem "sagst" betonen will. Auch wenn ich fast glaube, dass das von Dir intendiert ist, habe ich mal eine für mich metrisch bereinigte Version erstellt:

    Dann stehst du hier vor mir, mit meinen Augen,
    und sagst mir, meine Sicht sei viel zu alt,
    dass diese Predigten so gar nichts taugen;
    und es kein Leben gäbe unter Vorbehalt.

    Ansonsten, ja, schön rührig, auch wenn ich den Vers "halte mir die Spiegel dieser Erde" nicht verstehe.
    Wiedermal sehr gern gelesen.

    Viele Grüße,
    GW
  • Hi Brot,

    erstmal herzlichen Glückwunsch zur Wahl.

    Dann ein Lob: Die Traumsequenz ist sehr gut. Gefällt mir fast am besten an der Erzählung. Ach, und die Klopperei auf dem Weihnachtsmarkt, klasse.

    Ich musste ständig an den Film "Don't look now!" denken, bzw. "Wenn die Gondeln Trauer tragen" wie der im Deutschen hieß, bloß dass hier ein Typ mit rotem Koffer und kein kleines Mädchen oder ein Zwerg durch die Gegend huscht. Naja, es gibt noch wesentlich mehr Abweichungen. Aber die Assoziation ist bei mir da. Ebenso wie ein bisschen "Jacobs Ladder".

    Jetzt muss ich noch ein wenig meckern, wobei ich einräume, dass das damit zu tun haben kann, dass ich ein extremer Langsamleser bin.
    Die Geschichte liest sich wiedermal flüssig einfach so weg und ist spannend. Nur diesmal kam ich mit der Dramaturgie nicht so ganz klar. Die Verabredung mit der Isabelle wird eingangs erwähnt und dann schoben sich für mich so viele Dinge dazwischen, dass ich schon dachte, das sei ein gesäter aber verkümmerter Handlungsstrang. Das wird für mich zu spät wieder aufgegriffen. Ich würde mir bei einem Text der Länge vielleicht nochmal ein Bild machen, wann Du genau welche Hinweise streust, damit sich die Dinge nicht verlieren. Zumindest hätte diese Date-Geschichte am Anfang dann zumindest irgendwie kenntlich erst einmal auf Halde gelegt werden müssen, aber nicht so dass man jeden Moment damit rechnet, dass es weiter geht. So ging mir das zumindest.

    Die Mehrzahl von Lawman ist ja Lawmen. Irgendwo in dem Text ist das falsch geschrieben, als der Freund sagt "Wir sind Lawmen".
    Das Treffen mit dem Freund gefällt mir übrigens auch sehr gut.

    Was ich am Schluss noch besser gefunden hätte, wenn die Gedanken des Protagonisten noch erweitert worden wären um die Überlegung, ob er durch sein Verbarrikadieren nur sich vor dem Toolbox-Mann oder die Außenwelt vor sich selbst damit schützt.

    Ich muss übrigens noch gestehen, dass mir der Artdeco-Lift in dem Gebäude nicht gefallen hat. Die Szenerie hätte ich beklemmender gefunden mit einer passenden Digitalanzeige.
    Zumal mir nicht klar ist, was hat der Typ ansonsten mit Art Deko zu tun. Dieses altmodische spielt doch sonst keine Rolle, die ich wahrgenommen hätte. Das ist ein neues Motif neben den zig anderen in der Geschichte, das sich aber in diesem Fall nach meinem Gefühl nicht stringend durchzieht.
    Aber mir hat bei Kubricks "2001" ja auch nicht gefallen, dass der Typ am Schluss im Schalfzimmer von Ludwig XIV. liegt.

    Die Rolle seiner Medienkritik in Kombination mit dem, was er über seinen Beruf sagt, kriege ich auch noch nicht so ganz auf die Reihe. Ich denke immer, da muss es doch eine Verbindung geben. Aber ich sehe sie nicht. Da wäre auf jeden Fall noch Potential.

    Fazit: Die Geschichte schafft es streckenweise zu faszinieren, aber ich würde mir eine Überarbeitung wünschen. Eine Handvoll Motive als Stilmittel, die sich stringend durchziehen, eine dramaturgische Umstrukturierung des Textes. Denn der Text könnte rein nach meinem persönlichen Empfinden prägnanter sein. Dann wäre er mehr als die Summe seiner Teile. Für mich ist es das noch nicht.
    Vielleicht liegt das Problem für mich wieder darin, dass ich fühle, dass das Ding wiedermal ein Roman hätte werden sollen. Andererseits ist dieses Problem auch wieder eine Stärke, denn da steckt halt was drin.

    Viele Grüße,
    GW

  • NachtfahrtDatum05.05.2009 22:20
    Foren-Beitrag von GerateWohl im Thema Nachtfahrt

    Hallo Paul,

    zu Deiner Frage. Lichtkegel nimmt man nach meinem Verständnis nur als solche von einer Außensicht wahr. Wenn Du hinter der Lichtquelle sitzt, wie in einem Auto, dann nimmst Du den Lichtstrahl nicht als Kegel wahr. Das ist jetzt vielleicht nur meine Interpretation, das kann schon sein. Aber auch sonst gefällt mir die Assoziation mit den Schimmeln in dem Moment der Bedrohung nicht. Die Fokussierung liegt doch in dem Moment ganz klar auf der Verletzung des Du, der Bedrohung des Lebens und dem Erreichen der Ambulanz und nicht der Frage, ob die Beleuchtung des Nebels jetzt wie reitende Schimmel aussieht. Ich finde überhaupt die Suche nach Vergleichen jeglicher Art in dem Zusammenhang unpassend und der beschriebenen situation nicht angemessen. Deshalb funktioniert der Text für mich nicht.
    Wie ist Deine Sicht dazu?

    Viele Grüße,
    GerateWohl

  • NachtfahrtDatum05.05.2009 10:17
    Foren-Beitrag von GerateWohl im Thema Nachtfahrt

    Hallo perry,

    zunächstmal klingen die Metaphern und Vergleiche in meinen Ohren etwas bemüht. Der beleuchtete Schnee will für mich beim Lesen nicht zu den erschreckten Augen werden, und wie kann das lyrische Ich jetzt an weiße Schimmel denken?

    Die Schimmelstrophe hat das ganze Gedicht für mich etwas auseinander, denn alle anderen Strophen sind aus der Ich-Perspektive geschildert, die Schimmelstrophe zeigt eine Außensicht auf das ganze. Die würde ich auch aus dem Grund einfach weglassen.

    Da fährt also das Ich in der Nacht mit seinem Auto ein Du mit Blut im Mund in die Notaufnahme. Das Ich soll wohl unter Schock stehen. Vielleicht hat er das Du angefahren. Vielleicht auch nur gefunden. Vielleicht vor einem Wüstling gerettet. Vielleicht ist das Du ein Hund, ein Reh, ein Igel oder ein Mensch. Man weiß es einfach nicht.

    Strophe 4 soll vielleicht einen Hinweis darauf geben was passiert ist. Irgendein Unfall, der mit Schranken und tief hängenden Ästen zu tun hat. Irgendwie sagt mir das alles nichts. Zumal zum Schluss nicht nur die Gedanken in die Dunkelheit entfleuchen, sondern auch die Frage nach der Aussage des ganzen Textes.

    Wahrscheinlich bin ich da etwas zu kritisch, weil der Aufbau der Atmosphäre, mit dem dieses Gedicht steht und fällt, bei mir einfach nicht funktioniert. Oder ich habe da was übersehen. Würde mich auch nicht wundern.

    Soweit von mir.

    Viele Grüße,
    GerateWohl

  • ForensischDatum05.05.2009 09:37
    Foren-Beitrag von GerateWohl im Thema Forensisch

    Hallo Oliver,

    ich möchte dem Gedicht bzw. Dir ein Kompliment machen, nämlich, dass mir beim ersten Lesen überhaupt nicht auffiel, dass sich der Text reimt und einem festen Versmaß folgt. Das liest sich so locker weck und zudem interessant, dass die Form in den Hintergrund tritt, aber natürlich ob des behandelten Themas unabdinglich ist. Ich dachte nämlich schon zunächst, schade, dass das Ding nicht gereimt ist, und dann - Schwups...

    Der Text entlarvt das Forendichten halbwegs als Sackgasse für Dichterkarrieren (und Persönlichkeitsentwicklung?). Und so ist dieses Gedicht dennoch ein lupenreines Forengedicht, obwohl es doch abgesehen von der Form, recht prosaisch ist, da es kaum verdichtet.
    Möglicherweise könnte man diesen Vortrag in weiten Teilen aber auch diversen und nicht gerade unbekannten Künstlern halten.
    Gefällt mir jedenfalls.

    Grüße,
    GW

  • Keine AhnungDatum05.05.2009 09:24
    Foren-Beitrag von GerateWohl im Thema Keine Ahnung

    Hallo Oliver,

    erstmal entschuldige die späte Rückmeldung. Ich habe mir einen Keks gefreut über Deinen Kommentar, was die Kommentarschlampe in mir aber nicht verdrängen konnte.

    Ja, natürlich habe ich wiedermal den Blick auf die Zwischenmenschlichen Beziehungen, den ich auch so gerne auf (fast) alles andere beziehe.
    Die Ausnahmenmetapher S2V3 hat zugegebenermaßen auch vordringlich die Funktion abgedreht bzw. besser gesagt durchgedreht zu klingen in Bezug auf den Vers davor. Wobei der Gedanke hier der war, dass hier der Verlust der Zeiger ein Lösen von Ordnung und Struktur gemeint ist, die Fußstapfen der Sonne sich natürlich auf den Lauf der Sonne als eine Art Sonnenuhr beziehen, das Seil beim Seilspringen sich eigentlich auf die Kabel der Maschinen beziehen sollte. Aber letzteres ist wahrscheinlich etwas zu weit weg.

    Ich gebe zu, dass ich jetzt aus lauter Eitelkeit gar nicht viel mehr zu dem Text sagen will, außer dass Deine Deutungsansätze eine Bestätigung für mich sind, dass das Gedicht funktioniert und damit komme ich wieder auf den Eingangs erwähnten Keks zurück.

    Danke für Deinen Kommentar und viele Grüße,
    GW

  • Keine AhnungDatum27.04.2009 18:48
    Thema von GerateWohl im Forum Diverse
    Keine Ahnung

    Ich weiß nicht mal, warum mein Haus brennt,
    noch warum im Garten davor keine Frau - nicht mal zufällig -
    durch meinen lockeren Gürtel auf meinen Arm steigt.

    Geschweige denn, weshalb Maschinen und Menschen
    ihre Zeiger verlieren, anstatt durchzudrehen
    und gegen die Fußstapfen der Sonne seilzuspringen.

    Statt dessen verrauchen die Fragen in den Hälsen der Flure,
    bis meine Hose auf den Boden in die Flammen fällt,
    um die letzte zu stellen - was in den Taschen war.
  • Tja, falls keiner die Live-Übertragung im IMAX-Kino am Potsdamer Platz mitgeschnitten hat, gibt's keiner filmischen Aufzeichnungen.
    Nee, Schmarrn.
    Der Boldt hat Fotos gemacht, auf die ich schon sehr gespannt bin.

  • Vielen Dank für die guten Wünsche.
    Haben wohl geholfen.
    War schön.

    Tournee ist so gut wie geplant.

  • Herzlichen Glückwunsch von mir Gedichtbandage!

  • Thema von GerateWohl im Forum Publikationen, Projekt...
    Veranstaltungstipp:
  • Jokers Lyrik PreisDatum31.03.2009 13:08
    Foren-Beitrag von GerateWohl im Thema Jokers Lyrik Preis

    Na, das wäre doch mal einen Versuch wert.

  • Blind DateDatum31.03.2009 13:05
    Foren-Beitrag von GerateWohl im Thema Blind Date

    Hallo Brot,

    Deine Gedanken sind wieder mal sehr hilfreich und legen die von mir schon erahnten Schwächen des Textes dar.
    Nur bzgl. der Jugendlichkeit des Protagonisten bin ich anderer Meinung, zumindest unschlüssig. Die Frage habe ich mir nämlich auch gestellt. Kam aber zu dem Ergebnis, dass ich ja nun so weit auch nicht mehr von dem Alter entfernt bin bzw. dass es sich hier ja um einen 50-jährigen eingefleischten Junggesellen handelt, dem ich somit eine gewisse Jugendlichkeit zugestehen wollte.
    Die Charakterisierung von Norbert war mir eigentlich sehr wichtig, obwohl er sich im Laufe des Schreibens schon geschärft hat, woraufhin ich den Text nochmal völlig betriebsblind durchgekämmt habe und somit in die von Dir beschriebenen Fallen getappt bin.
    Man merkt offensichtlich auch, dass mir anfangs nach Slapstik zumute war, im Laufe der Geschichte mich der Charakter und die Welt von Norbert mehr interessierte, so dass das Ding jetzt zu einem schiefen Flickenteppich geworden ist. :(
    Aber wenigsten scheinen meine spärlichen eingebauten Schmunzler ja funktioniert zu haben. Wenigstens etwas. :)

    Viele Grüße und danke nochmal,
    GW

  • Jokers Lyrik PreisDatum30.03.2009 19:37
    Foren-Beitrag von GerateWohl im Thema Jokers Lyrik Preis

    Na, immerhin habe ich es neben Rilke, Goethe und Willi promt in die Datenbank geschafft. Wenn das mal kein Erfolg ist.

  • Prinzessin ElsebeeteDatum27.03.2009 17:54
    Foren-Beitrag von GerateWohl im Thema Prinzessin Elsebeete

    Hi Brot,

    ja, vielsten Dank für das Lesen der sieben Word-Seiten. Das mit dem zerfrieselten Anfang ist sicher richtig. Zudem ging es mir bei der Auswahl der Namen wirklich so, dass ich dachte, "Langsam wird's echt blöd, aber jetzt hab ich schon mal angefangen und kann die restlichen Figuren nicht ohne Namen da stehen lassen." Zu einer so reichen Erkenntnis, dass ich das ganze Geraffel mit der Mutter auch weg lassen könnte, dafür fehlte mir natürlich der Abstand zum eigenen Werk. Aber das leuchtet mir ein.
    Ebenso fühle ich mich bei den von dir angemerkten gekünstelten Stellen ertappt, weil ich die wirklich aus Angst vor Logikfehlern nachgeschoben habe. Der Gegenwind war für mich nötig, weil zuvor und danach es kein Mensch im Umkreis von 3 Metern um Elsebeete überhaupt aushält. Da dachte ich, wie soll ich das lösen? Ich bin mir da bei Deinem Vorschlag auch etwas unsicher. Aber ein guter und ermutigender Hinweis an solche Dinge etwas entspannter heran zu gehen. :)
    Und natürlich danke für die Lobe!

    Grüßle,
    GW

  • NachspielDatum27.03.2009 17:36
    Thema von GerateWohl im Forum Diverse

    Nachspiel

    Meine Wunde beginnt zu sprechen,
    während deine ihr Auge schließt,
    und alles, was sich noch rührt,
    verhüllt sein Glück und lauscht.

    Ab jetzt macht keiner mehr
    einen Stich in diesem Spiel
    mit Speisekarten für Allesfresser.
    Unsere Haut spannt ein wenig
    und macht Endlichkeit gewahr.

    Da wo Blut spritzt, schlägt
    wohl noch ein Herz, und wer
    braucht schon einen roten Teppich?
    denken wir jetzt,
    ohnmächtig.

  • WidergeburtDatum10.03.2009 17:05
    Thema von GerateWohl im Forum Düsteres und Trübsinniges

    Widergeburt

    Ich breche auf - ein Ei, das Leben birgt
    und dennoch weich gekocht ist, dabei schmal
    sich durch den Eierschlangenrachen würgt,
    der Raubtier ist sowie Geburtskanal.

    Und eine Leere raubt den letzten Raum.
    Was Weiterleben heißt, wird mir nicht klar.
    Ich falle raus. Mein Atem rührt sich kaum.
    Beim Laufen nehme ich die Füße wahr.

    Die Zeit geht wieder neben mir dahin
    und nimmt mich mit. Doch ließ ich viel zurück
    an Kraft, an Geist, die Suche nach dem Sinn,
    das Weinen, Schmerz und die Idee vom Glück.

  • Ein FrühstückDatum24.05.1970 01:04
    Thema von GerateWohl im Forum Diverse
    Ein Frühstück

    Ich klopfe mit dem Löffel auf mein Ei
    und frage mich, wie weich es heute sein mag.
    Du schaust mich an, da fällt dein Blick entzwei.

    Die eine Hälfte trifft mich hart wie Steinschlag,
    die andere verspricht so allerlei.
    Das wird im Tagebuch ein langer Eintrag.
  • Blind DateDatum23.05.1970 22:04
    Thema von GerateWohl im Forum Kurzgeschichten, Erzäh...
    Blind Date

    Wie die meisten Unglücksfälle ist auch ein Blind Date vermeidbar, wenn man in den Lebenssituationen, die zu so etwas führen können, nur etwas achtsamer wäre. Dann blieben wir alle verschont und niemand käme zu schaden. Aber der Mensch ist halt nicht immer achtsam genug. Und dann passiert so etwas. Unvermittelt wirst du gefragt - von Freunden, Bekannten oder sogar der eigenen Familie -, ob du nicht gerne jemanden kennen lernen möchtest. Darauf könntest du dann einfach NEIN antworten. Aber das stimmt ja gar nicht, dass du niemanden kennen lernen möchtest. Deshalb sagst du wahrheitsgemäß JA. Die Leute könnten auch fragen, „Ist heute Dienstag?“ an einem Dienstag oder vor einer Blinddarmoperation „Möchten Sie eine Betäubungsspritze?“. Irgendetwas, das dich garantiert Ja sagen lässt. Darin besteht der Trick, mit dem man geködert wird, woraufhin man an einem öffentlichen Ort, einem Café oder einem Park, auf eine Begegnung wartet, mit der man sich offenen Auges ins Witzbuch des Lebens hinein schreibt. Nur weil man eine Fangfrage bejaht hat. Nur die im Grunde einzige korrekte Frage, „Möchtest du eine Verabredung mit einer wildfremden einsamen Freundin eines entfernten Bekannten von uns arrangiert bekommen?“, die stellt aus gutem Grund keiner. Denn die sich wie selbstverständlich daran anschließenden Neins hätten schon längst dazu geführt, dass der demütigende Brauch des Blind Dates ausgestorben wäre. Aber jetzt sitze ich hier auf einer Parkbank und warte auf Griselda oder wie die heißt. Ich schaue lieber noch mal auf den Zettel, um wenigstens dieses Fettnäpfchen zu umgehen, sie mit dem falschen Namen anzusprechen. Ah, gut dass ich nachschaue. Sie heißt Gisela. Gerade noch mal gut gegangen. Hoffentlich merke ich mir das, bis sie kommt und ich sie ansprechen muss. Nach der Vorstellung kann ich dann ja immer „Sie“ oder „du“ sagen.
    Ich bin viel zu früh und sitze bei pralle Sonne im Halbschatten vor einer Liegewiese zwischen U-Bahnbrücke und Springbrunnen mit einem Zettel, auf dem steht: Gisela, 15 Uhr, Volkspark Schöneberg, Wiese am Hirsch-Brunnen, dritte Parkbank, linke Seite und ihre Handynummer. Mehr nicht. Wir leben in einem Zeitalter, in dem sogar Telefone Fotos machen. Da hätte man ja wenigstens ein Bild erwarten können, aber nein.
    „So ist es doch viel spannender“, hatte Haralds Frau Marina lachend gesagt. Ich erinnere mich noch an Haralds mitleidigen Blick dabei in meine Richtung, und dann sein anschließend gequält und ertappt wirkendes Zunicken, mit dem er mich wohl aufmuntern oder trösten wollte. Dieser falsche Hund. Ich hole noch mal den Zettel mit Giselas spärlichen Daten hervor und schreibe mit meinem Kugelschreiber unter ihrer Handynummer „Harald umbringen“ darauf mit einem Ausrufezeichen dahinter, um es nicht zu vergessen.
    Vor mir auf der großen Liegewiese stehen und laufen jede Menge gut gelaunter und attraktiver Damen herum. Leider sind sie durchweg zu jung für mich und leider ist keine von ihnen Gisela. So viel Glück hat man natürlich nicht bei einem Blind Date. Dass man sich als in die Jahre gekommener Junggeselle, wie ich einer bin, wenigstens standesgemäß mit einem 25 Jahre jüngeren Ding einen Nachmittag lang zum Trottel machen kann. Das hätte wenigstens noch einen gewissen Stil. Die Umwelt würde denken, er könnte ihr Vater sein, er ist unreif, er ist in einer Midlife Crisis, er ist ein Trottel, aber er ist ein glücklicher Trottel. Und sie würde es nicht ohne Neid denken. Aber solche Episoden gehören nicht in die Welt der Blind Dates.


    „Blum.“
    „Äh,…“
    „Hier ist Blum, Gisela. Hallo? Wer ist dort?“
    „Ich bin… Entschuldigung, ich bin ein Freund von Harald und Marina, ich heiße Norbert.“
    „Ah, Norbert. Ja, Marina hat mir von dir erzählt. Wir sind übermorgen verabredet nicht wahr? Schön, dass du dich meldest.“
    „Ja, ich weiß. Wir sind schon verabredet. Harald hat mir einen Zettel gegeben. Aber ich dachte, wo doch die Nummer auf dem Zettel steht, ich sollte vielleicht anrufen. Und das tue ich jetzt.“
    „Ja, das ist nett.“
    „Rufe ich ungünstig an?“
    „Nein, nein. Ich stehe an der Haltestelle und warte auf den Bus.“
    „Aha. – Also, ich kann auch anrufen wenn es günstiger ist.“
    „Nein nein. Ist schon o.k. Ich freue mich.“
    „Gut. – Ist das in Ordnung, dass ich Sie gleich dutze? Weil, da steht nur der Vorname, Gisela, auf dem Zettel, und da dachte ich...“
    „Ja, klar. Das ist fein. Dann komme ich mir nicht so alt vor.“
    „Wieso? Wie alt bist du denn?“
    „Na, du bist ja charmant. Eigentlich nicht mehr jung genug für diese Frage. Aber wenn du’s unbedingt…“
    „Ich bin 50.“
    „Ah. Aha. Schön. Gutes Alter für einen Mann.“
    „Finden Sie?“
    „Wir waren doch beim Du.“
    „Ach ja. pardon.“
    (Schweigen)
    „Na, Norbert, wo wir schon mal sprechen, erzähl mir doch was von dir.“
    „Kommt der Bus nicht?“
    „Der braucht noch ein bisschen.“
    „Was soll ich denn erzählen?“
    „Na zum Beispiel, bist du Witwer oder junger Junggeselle?“
    „Ich bin 50.“
    „Wie? Ja, das sagtest du. Ich wollte…“
    „Ich meine, ich bin nicht jung.“
    „Ah, also bist du Witwer. Das tut mir leid.“
    „Quatsch. Wie kommen Sie denn darauf?“
    „Also doch Junggeselle.“
    „Ja, aber halt kein junger mehr.“
    „Na, das ist doch Ansichtssache.“
    „Nein. Ist es nicht.“
    „Na gut. Aber Beziehungen hattest du schon, oder? Mit Frauen, meine ich.“
    „Was wird das denn hier für ein Verhör?“
    „Oh, entschuldige. Ich wollte dir nicht zu nahe treten. Ich bin manchmal etwas direkt.“
    „Und ich bin nervös.“
    „Ich auch.“
    „Das hört man aber nicht.“
    „Doch ich laufe die ganze Zeit hin und her.“
    „Ah, Sie sind wohl sportlich!“
    „Wieso?“
    „Na Sie sagten eben, Sie laufen hin und her.“
    „Das findest du sportlich? Du bist lustig. Waren wir nicht übrigens beim Du?“
    „Jetzt hören Sie mal. Sie haben Ihre Sicht der Dinge, und ich habe meine. Ich wüsste nicht, was an meiner so lächerlich oder witzig wäre. Und ich dutze, wenn ICH will. Kapiert? Ich muss mir von Ihnen nicht vorschreiben lassen, wie ich… (Piiep!) Hallo? Hallo? Haben Sie etwa aufgelegt? Haben Sie etwa einfach aufgelegt? Dann sage ich Ihnen mal was. Das ist unhöflich, aufzulegen, ohne sich zu verabschieden. Jawohl! Ich leg jetzt auch auf! Auf Wiederhören. Ja. So macht man das.“


    Ein Freundeskreis, kann ein guter Schutz sein vor der Liebe. Wer verliert sein Herz schon, fest verfangen in den engen Maschen eines geschlossenen Bekanntennetzes? Sollte man meinen. Mit aufgeknöpftem Mantel steht man zwar da und fragt sich manchmal, wann es aufhört zu ziehen. Ein lauer Wind lässt die Einsamen gemeinsam flattern wie eine Gruppe Vogelscheuchen, und Musikstücke, in denen die Liebe vorkommt, ziehen vorbei oder nisten sich zu oft in unseren Ohren ein. Eine feuchte Witterung tut ein Übriges und, plumps, fällt das Herz aus der löchrigen Brust. Und Keiner fängt es auf, aber es tritt auch niemand drauf. Allgemeine Rücksichtnahme. So war es immer. Stilles Leiden ummantelt vom heilenden Verband der Diskretion. Das ist Geborgenheit. Doch seit einiger Zeit wird alles anders. Ich fühle mich zunehmend als Exot. Die Alleinstehenden werden systematisch ausgerottet. Unsere Seelen werden von Kupplern in Planspielen wie diesem hier rücksichtslos im Namen der Liebe verschleudert. Und was sagt die Liebe dazu, während sie im Eingang steht? Das was sie immer sagt: Komm, küss mich! Mit vollem Mund, schmatzend und sabbernd. Ist das verlockend? Da hängen aufgeweichte Krümel an ihrem Bartflaum. Ich könnte doch auch die sauberen Lippen der Sehnsucht küssen. Aber die Liebe ist wie die großen Jungs auf dem Spielplatz früher, die einen verkloppten, einfach weil man jünger, schwächer und ohne eigene Gruppe schutzlos war. Vereinte Kräfte - eine wie die andere.
    Meine Gedanken machen mich schwermütig. Mir ist einfach heiß. Ich schwitze in der Sonne wie ein fetter Hartkäse, denn ich trage im Hochsommer einen Anzug und darunter ein langärmliges Hemd. Schön blöd. Jetzt das Jackett ausziehen wäre zwar angenehm, würde aber nur hässliche Schweißränder zum Vorschein bringen. Was, wenn sie mich dann so sieht? Genau das ist es, was ich vermeiden wollte. Ich bin zwar früh dran, aber genug Zeit, noch mal nach Hause zu gehen und mich umzuziehen habe ich auch nicht mehr. Unpünktlichkeit kommt nicht in Frage. Ich will mir nachher nicht nachsagen lassen, die Begegnung wäre an meinem Fehlverhalten gescheitert. Das könnte allen Beteiligten so passen. Nein, ich werde mich komplett korrekt verhalten und sie die Fehler machen lassen. So werde ich erhobenen Hauptes aus der Sache heraus kommen.


    „Stangel.“
    „Ja, hallo, ich bin’s Gisela.“
    „Welche Gisela?“
    „Wir sind morgen verabredet.“
    „Oh, ach Sie.“
    „Ich wollte mich noch mal bei Ihnen melden und Ihnen sagen, dass es mir sehr leid tut, wie unser erstes Gespräch gelaufen ist und mich hiermit für meine Unhöflichkeit entschuldigen. Ich war vielleicht etwas übereifrig und indiskret.“
    „Ach, schon gut.“
    „Und dann einfach so aufzulegen. Aber Sie waren so böse, und ich wusste gar nicht, wie ich damit umgehen sollte, wo wir uns doch gar nicht kennen.“
    „Ja, das war nicht richtig von mir. Pardon. Ich habe mich benommen wie ein Esel.“
    „Wie auch immer. Ich würde mich jedenfalls dennoch freuen, Sie morgen wie vereinbart zu treffen, sofern Sie noch Interesse haben, dass wir uns kennen lernen.“
    „An mir soll’s nicht liegen.“
    „Ah. Gut. - Ja dann. Bis morgen?“
    „Ja, bis morgen.“


    Im Grunde bin ich ja nur aus Höflichkeit hier. Höflichkeit ist wichtig. Und wer weiß, welche Selbstzweifel diese Frau quälen. Wenn ich nun ein Treffen abgelehnt hätte, würde sie das vielleicht nicht verkraften, sie gar in den Selbstmord treiben. Frauen tendieren ja eher dazu, beziehungssüchtig zu sein. Wer weiß, wozu sie ohne fähig sind. Außerdem, egal wie abgekartet das Spiel von Harald und Marina auch eingefädelt worden sein mag. Ich habe zugesagt, und wenn man zusagt, geht man hin, genauso wie man beim Telefonat nicht ohne Verabschiedung einfach auflegt.
    Doch eigentlich habe ich keine Lust. Ich weiß auch gar nicht, was ich mit dieser Frau unternehmen soll. Hier an der frischen Luft in der Sonne werde ich im Anzug den Schwitztod sterben. Ich kenne auch in der Nähe kein klimatisiertes Museum oder ähnliches. Ich könnte mit ihr ins Rathaus gehen. Da ist es kühl und es ist gleich um die Ecke. Aber was sollen wir da? Unsere Personalausweise verlängern lassen? Sie wird mich lächerlich finden, lächerlich wie die ganze Situation. Und in gewisser Weise hat sie recht. Ich bin 50 Jahre alt und weiß offensichtlich noch nicht einmal, wie man sich wettergemäß kleidet. Ach was soll’s! Ich zieh die blöde Jacke jetzt aus und gehe einpaar Schritte, um zu trocknen. Auf der nördlichen Seite des Parks hinter der Brücke ist es vielleicht kühler. Wahrscheinlich kommt die Frau eh zu spät.
    Auf der Treppe zur anderen Seite kommen mir zwei Frauen ungefähr meines Alters entgegen miteinander schwatzend, und gehen an mir vorbei. Die eine ist auffallend attraktiv, mit wachen lächelnden Augen, vollem kurzen Haar, geschmackvoll gekleidet und von nicht zu verbergender Weiblichkeit. Ihre Gesprächspartnerin fällt in die Kategorie von Damen, für die mal irgendein stilsicherer Mensch den malerischen Begriff Schabracke eingeführt hat. Die Haare, obwohl offensichtlich echt, sind mühevoll auf Faschingsperücke getrimmt, die Kleidung um ihren verlebten Körper herum würde sie selbst wahrscheinlich schrill nennen und das Gesicht samt Make-up legt den Verdacht nahe, dass sie sich seit über hundert Jahren auf dem Kriegspfad befindet.
    Ich frage mich, welchem von beiden Typen meine Verabredung äußerlich wohl eher ähneln wird. Beide Optionen geben mir ein mulmiges Gefühl. Am Telefon wirkte die Frau freundlich und eloquent. Etwas zudringlich vielleicht und ein wenig verrückt, aber half mir das nicht zuletzt dabei meine eigenen Fehler beim ersten Gespräch zu vergessen? Und ihr wahrscheinlich auch. Aber wie sieht sie aus? Mir fehlt jede Vorstellung.
    Das Spazierengehen tut mir gut. Mein ruhiges Schlendern gönnt mir einen seichten kühlenden Gegenwind. Ich spüre quasi die Verdunstungskälte der trocknenden Schweißränder meines Hemdes, während ich den nördlichen Teil des Parks durchstreife. Nach einer Weile, fällt mir auf, dass ich dort nur noch von Pärchen und Familien umgeben bin, während auf der südlichen Seite, auf der ich gewartet hatte, vorwiegend alleinstehend wirkende Personen auf den Wegen und Wiesen liefen und lagerten. Es kommt mir so vor als hätte ich beim Überqueren der Brücke eine Art Reservat verlassen und wäre nun in die Welt der Kuppler und erfolgreich Verkuppelten eingetreten. Keiner beachtet mich hier. Auf der anderen Seite tat das zwar auch keiner, wie es sich für öffentlichen Berliner Raum gehört. Doch hier bin ich frei. Ein Freier unter Unfreien. Ich genieße hier eine viel reinere Form der Anonymität. Ist das meine letzte Bastion der Unabhängigkeit? Wenn es denn sein muss, so werde ich auch dieses Joch ertragen, wenn es mir nur mein erforderliches Quantum an Selbstachtung sichert.


    Ich betrete meine Wohnung, öffne meine Schuhe und schüttele sie ausgelassen von den Füßen. Das Jackett fliegt aufs Fernsehsofa. Dann fällt mein Blick auf das Telefon. Keine neue Nachricht auf dem Anrufbeantworter, keine Frage wo ich bleibe oder ob ich einen Unfall hatte, kein Blinken am Apparat, das wenigstens einen versuchten Anruf signalisieren würde. Meine Stimmung sinkt. Diese Gisela hat es wirklich raus, einen Narren aus mir zu machen.
    Ich ziehe den Zettel mit ihrer Telefonnummer aus der Hosentasche, schaue drauf und erblicke meine Notiz von vorhin. Nein, denke ich. Der Tod wäre echt noch zu gut für Harald. Ich werde ihn zur Strafe einfach am Leben lassen.
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