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Thema von Don Carvalho im Forum Kurzgeschichten, Erzäh...
Nachts um halb drei in Berlin Schöneberg
Er schloss die Augen und atmete tief ein.
All seine Kraft wendete er auf, um äußerlich Ruhe zu bewahren, er war sogar nicht allzu weit von einem Lächeln entfernt. Doch innerlich riss es an ihm, er fühlte sich wie jemand, der nach vielen Jahren des im Kreis Laufens gezwungen war, gerade aus zu gehen. Zitterig, stets nahe am Sturz. Er stolperte. Er öffnete die Flasche Bitternis und goss sich großzügig ein. Gluckernd füllte sich sein Glas, die braune Flüssigkeit schwappte gegen den Rand und ein schmales Rinnsaal lief außen herab, bis es von seinen Fingerspitzen liebevoll aufgefangen wurde. Es war besser, für den Augenblick. Mit noch immer geschlossenen Augen holte er Atem, achtete darauf, wie sich seine Lunge langsam mit Luft füllte. Seine Lippen bebten und er spürte, wie ein Orkan aus seinem Mund in die Welt hinausschoss und sein zerstörerisches Werk begann.
Er öffnete die Augen.
Die Laterne, an der er sich festhielt, war den alten Gaslaternen des 19. Jahrhunderts nachempfunden. Zwischen seinen Füßen sah er Erbrochenes, Spritzer waren auf seinen Schuhen und seiner Hose. Behutsam fingerte er ein Taschentuch aus seiner Manteltasche, sorgfältig darauf bedacht, nicht auch noch seinen Mantel zu beschmieren, und wischte sich über das Kinn. Nach einer Weile stieß er sich von dem Licht weg in die Dunkelheit. Er versuchte, kontrolliert einen Fuß vor den anderen zu setzen, gleichmäßig einen Schritt dem anderem folgen zu lassen. Er knickte weg, brach seitlich aus wie ein Torero im Angesicht des Stieres und hatte bereits einige Meter zurückgelegt, bevor er sein Gleichgewicht wieder gefunden hatte. Er konzentrierte sich auf die nächsten Schritte, es wurden mehr als geplant, bis eine Mauer ihm die Stirn bot. Langsam rutschte er die Steinerne hinunter, bis er auf dem Boden saß, den Kopf gegen das unebene Gestein gelehnt. Sein Knie wurde feucht, er kauerte in einer Pfütze, doch der Platz war gut, sehr gut sogar.
Er schloss die Augen.
Es gibt Drogen überall. Leichte, harte, was immer das Herz auch begehrt, in allen Farben und Formen lässt sich der Geist betäuben. Die schlimmste Droge ist jedoch die Technik, oder vielmehr die technischen Drogen, da sie mehr als alle anderen zur Einsamkeit führen. Auch wer gemeinsam vor dem Fernseher sitzt ist allein. Interessant ist dabei, wie die moderne Ehe und das Fernsehen im Zusammenhang stehen, aber das ist ein anderes Thema. Tatsache ist, dass immer mehr Menschen in den Industrienationen, den Medien verfallen, vereinsamen. Im Fernsehen sah ich vor kurzem einen Bericht über das Fliegen. Dort wurde festgestellt, dass mit zunehmendem Flugverkehr und der Möglichkeit, in Überschallgeschwindigkeit weit entfernte Ziele zu erreichen, das Warten wieder zur quälenden Erfahrung wurde insofern, dass Verspätungen und dass damit verbundene Warten mit der eigentlichen Reisezeit oftmals konkurrieren. Das Hochgeschwindigkeitsreisen bringt die quälende Langsamkeit des Wartens mit sich. Ein Widerspruch in sich? Nicht mehr, wie das Zusammenwachsen der Menschheit auf globaler Ebene durch technische Medien zur Einsamkeit führt. Der Abgrund lauert überall. Lasst ihn uns wenigstens genießen. Genuss - zumindest erleichtert wird er durch Drogen. Und damit sind wir wieder am Anfang.
Die Mauer in seinem Rücken stützte ihn wie der gute Freund, den er nicht hatte. Irgendetwas lief ihm über den rechten Handrücken, staksig und hektisch irgendwie. Die Überlegung, ob er die Augen öffnen oder den vermutlich insektoiden Belästiger blind hinwegwischen sollte, verebbte im Nichts. Gleichmäßig ging jetzt sein Atem, friedvoll fast, und wäre er nicht er selbst, hätte dies nahezu ein schöner Augenblick sein können. Doch sein Verstand war noch immer zu wach, als dass er selbst diesen armseligen Augenblick der Ruhe hätte genießen können. So blieb ihm letztlich doch nur, sich mühevoll nach oben zu quälen, kurz in der Hocke verschnaufend und den Wirbelstrom seiner Erinnerungen fortwährend niederkämpfend. Als er nun stand, tat es ihm fast Weh, diesen kleinen gütigen Platz zu verlassen, doch er wusste nur allzu gut, dass auch dieser Ort ihm irgendwann sein geiferndes Angesicht zeigen würde. So öffnete er sich dem verschließend die Augen und begab sich, den Freund tretend um genügend Kraft zu erhalten, in die neue alte Dunkelheit.
Thema von Don Carvalho im Forum Philosophisches und Gr...
(ver)Leben
Die Tage quälen sich (das grüne Gras) dahin
Erleben wird (ich riech es noch) stets neu gewebt
Möcht mich vor Euch und mir (im Abendrot) verstecken
(Es blieb nicht viel) dies alles ist was ich noch bin
Nun fragend habe ich (wo weilt der Rest) gelebt
Zuletzt werd einsam ich (oh Glück von einst) verrecken
1. Version:
Die Tage quälen sich (das grüne Gras) dahin
Erleben wird (ich riech es noch) stets neu gewebt
Möcht mich vor Euch und mir (im Abendrot) verstecken
Dies alles ist (es blieb nicht viel) was ich noch bin
Mich fragend habe ich (wo weilt der Rest) gelebt
Zuletzt werd einsam ich (oh Glück von einst) verrecken
2. Version:
Die Tage quälen sich (das grüne Gras) dahin
Erleben wird (ich riech es noch) stets neu gewebt
Möcht mich vor Euch und mir (im Abendrot) verstecken
Es kümmert mich (es blieb nicht viel) was ich noch bin
Nun fragend habe ich (wo weilt der Rest) gelebt
Zuletzt werd einsam ich (oh Glück von einst) verrecken
Thema von Don Carvalho im Forum Düsteres und Trübsinniges
Nachtwache
Wieder eine Nacht hab bangend ich durchwacht
an Deinem Bett, die Schatten sind Dir Decke,
die nicht wärmt, obwohl das Feuer mich umschwärmt.
Ich schleiche nur aus Angst, dass ich erwecke
Deinen Fiebertraum, den ich schon hab gebracht.
Wieder stehe ich in Schemenhaftigkeit
vor Deinem Bett, oh wie sich alles gleicht in
allen bittren Zügen. Glaube meinen Lügen!
Doch wischtest Du sie unbedacht und leichthin
fort, welch trostlose Gedankenlosigkeit.
Und während Du verlangsamt mir entgleitest,
spüre ich den wohlbekannten Schmerz, der mich
durchdringt. Ich grüße ihn, den Du bestreitest
-jetzt noch!-, während Deine Zeit verrinnt...
"Nach dem Abschied" klingt aus allen Transistoren
und verschafft Carvalho so Unsterblichkeit.
Noch glaubt sich Caetano lange nicht verloren,
denn die Quinta ist zum letzten Kampf bereit!
Die Bewegung der Streitkräfte rückt nun weiter,
Jubel lenkt sie schützend durch ganz Lissabon.
Nelken machen Gässchen um ein vieles breiter,
stürzen den Faschismus von dem kalten Thron.
Kurz nur und doch tödlich wehrt sich noch die PIDE,
eh auch sie die Waffen letztlich alle streckt.
In Soldatenaugen schimmert flehend Friede -
der Veränderungen Geist war längst geweckt.
Thema von Don Carvalho im Forum Ausgezeichnete Lyrik
Schritte für die Menschheit
Was soll die Menschheit mich noch intressieren,
so fern, so klein und ohne jeden Glanz.
Ich wische fort all die Gedankenschlieren,
alleine mich schmückt nun der Lorbeerkranz!
Ich bin der Herrscher aller Universen,
steh zwischen Euch und Eurer Sonne Lauf.
Zu weit voraus! Ihr seht nur meine Fersen
und betet ehrfurchtsvoll zu mir herauf.
Ich trete aus dem Schatten jetzt hervor,
nach kaltem und beschwerlich langem Ritt,
erhebe mich in den Olymp empor
durch meinen kleinen, Euren großen Schritt.
Ich blick Dir ins Gesicht und sehe meines
und spür Dein Streicheln zärtlich auf der Wange.
Der Abstand nur zur Wahrung äußren Scheines,
zum Schutz libidinöser Kernbelange.
Ich küsse Deinen Mund und küsse meinen
und spüre Deine sehnsuchtsvollen Hände.
Bei aller Gegenwehr bin ich im Reinen
mit mir, trotz der Verachtung aller Stände.
So führen wir wohl dieses Doppelleben
solange, bis es irgendwann dann endet.
Und wenn nur Du allein mir kannst vergeben,
so habe ich nicht meins, nicht Deins verschwendet.
Thema von Don Carvalho im Forum Düsteres und Trübsinniges
Ursachenforschung
Mit sichrer Hand und scharfer Präzision
setz ich das liebgewonnene Skalpell -
in wahrgewordner Buñuelfiktion
fährt es durch erste Schichten fein und schnell.
So ist der erste Schritt auch schon getan
und etwas von Dir ist jetzt freigelegt.
In schwarzer Stumpfheit starrst Du mich nur an,
die Höhlen freigeschabt und ausgefegt.
Doch fand ich nicht den Grund für Deinen Blick
- den voller Mitleid, den ich so verfluche -
so zieh ich fester Deiner Fesseln Strick,
begeb mich weiter auf die lange Suche...
Thema von Don Carvalho im Forum Liebe und Leidenschaft
Oh Liebkoste, ewiglich
Ich liebkose was mein Herz berührte,
noch immer mich in Schwingungen versetzt.
Absichtlich das Feuer ich stets schürte,
auf die Gefahr hin, dass es uns verletzt.
Weniger möcht ich jedoch nie geben,
weil weniger löscht gänzlich was ich bin.
Alles geb ich Dir, bis auf mein Leben,
denn einsam hat's für keinen von uns Sinn!